»I went sadly« bedauert der Pionier des Zeichentrickfilms und Meister auch des schwarzen Humors, der sich in diesem Anagramm verbirgt und mit dem Christian Aberle der Hang zur Perfektion verbindet. Im ARRAY IDLE FILM, den Aberle in seiner Installation bei ZERO FOLD abspult, bringt der Künstler Papierbögen wie Einzelbilder eines Films in eine gereihte Anordnung, montiert diese Sequenzen jedoch ohne eine feste Chronologie oder Ablaufrichtung neben- und übereinander auf die Wand und sogar in den Raum, auf eine mehreckige Säule. Dieser Verzicht auf eine vorgegebene Lesbarkeit oder Bedeutungshierarchie kennzeichnet auch die Materialwahl: In alte Karopapiere, zum Beispiel aus DIN A4 Schulheften, die seine Mutter seit den 70erJahren aus Sparsamkeit zur Wiederverwendung gesammelt hat, schneidet Aberle mit einem Teppichmesser filigrane Konturen, in die Intarsien aus gefundenen Bildreproduktionen auf Papier nahtlos und beinahe als solche nicht mehr wahrnehmbar eingefügt werden.

Der Fundus, aus dem die integrierten Schnipsel stammen, umfasst beispielsweise alte Disney-Publikationen, ein Michael Jackson-Fanheft, ein Kunstbuch von Cezanne oder Renoir oder die Einlagen sind einfach Restmaterialien älterer Collagen und kolorierter Frottagen – mitunter recycelt aus dem Atelier-Abfall. Wie in den historischen Intarsien aus Holz oder anderen Werkstoffen spielt der Künstler mit Trompe-l’œil-Effekten, die Einfügungen erfolgen mit so viel handwerklicher Raffinesse, dass eine malerische Anmutung entsteht oder man das Ergebnis mit einer Collage verwechselt, bei der Appliziertes nicht mehr von Unterlegtem unterscheidbar ist.

Die Vergilbung der Trägerpapiere konterkariert mit härteren Eigenfarben der jüngeren integrierten Papiere, das Auge erfasst eine wechselseitige Verstärkung der individuellen Qualitäten und Interferenzen der Farben Weiß mit Gelbstich, bzw. Violettanteil.
Ebenso stehen die Alterungsspuren, Anrisse, Verfärbungen und Verschmutzungen der Ausgangbögen im Gegensatz zu den exakten Anordnungen, die darin neu entstehen. Dabei wird hier quasi frei mit dem Teppichmesser gezeichnet, das Skalpell als Stift geführt: Der Schnitt folgt locker den Wendungen der Hand, nicht nur den Konturen des Vorgefundenen und bewegt sich dabei zwischen minutiöser Sorgfalt und Kontrollverlust. Winzige Unregelmäßigkeiten verhindern die Erstarrung und halten die Details lebendig, verleihen den neuen Kompositionen Musikalität.

Auch ein Anagramm entsteht durch das Auseinanderschneiden der Worte in ihre einzelnen Buchstaben, die in ihrer Neukombination andere Bedeutung annehmen, und so ist selbst der Ausstellungstitel eine kreative Wiederbelebung: Er recycelt den Titel der ersten Präsentation des Künstlers bei ZERO FOLD in 2010 – ALIFI MY LARDER, der seinerseits eine lautmalerische Strophe aus Robert Wyatts Song »Alifib« aus 1974 zitierte.

Ob in der Kunst oder Musik: Zeitgenössisches künstlerisches Arbeiten impliziert immer ein Wiederverwerten und neu Interpretieren. So wie beim Schreiben eines Songs wird hier eigenes und vorhandenes Material gesampelt, erfährt einerseits ein tarnendes, den ursprünglichen Kontext verbergendes Merging und lässt sich andererseits – wo es in den Papierarbeiten von Christian Aberle den (allerdings trügerischen) Effekt des »Durchlugens« durch die Oberfläche gibt – hin und wieder als Zitat erkennen, bzw. poppt im kurzen Erlebnis eines Déjà-vus als parasitäre, lediglich verpflanzte Einheit hervor.

Der vorherige Kontext des wiederverwendeten Materials wird umgedeutet und bleibt gleichzeitig in der Vorstellungskraft erhalten.
Der Blick erkennt in den ausgeschnippelten Buchstaben und Abbildungsversatzstücken die Statthalter für angeschnittene Themen, Erzählungen und Bildwelten, die sich fortsetzen lassen mithilfe des eigenen Kopfkinos.

Christian Aberle , geb. 1974, lebt und arbeitet in Köln als Maler, Zeichner, Musiker und Autor.
1994 – 2000 Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe

Fotografie © Tamara Lorenz