Mitte Oktober 2017 bezieht ZERO FOLD wieder kontinuierlich Stellung im Projektbüro und Ausstellungsraum in der Albertusstraße 4 und freut sich, den Raum mit der Ausstellung »Die Falten der Revolution – International Standard Coat 1917 – 2017« der Berliner Künstlerin
Alexandra Hopf (*1968 in Kassel) zu eröffnen.

In der Ausstellung bei ZERO FOLD entwickelt Alexandra Hopf eine Werkgruppe aus ihrer Präsentation »Maison Tatlin« in der Galerie Scharmann & Laskowski aus 2015 weiter. Von der
Decke des Galerieraumes hing damals eine Reihe grob geschneiderter Mäntel aus Leinwand, gefertigt nach einem Originalschnittmuster von Vladimir Tatlin aus dem Jahr 1922. Diese Rohlinge eines Kleidungsstücks hat die Künstlerin nun anlässlich des 100. Jahrestages der Russischen Revolution als Auflagenobjekte zu tragbaren Mänteln entwickelt, aus Leinen geschneidert, hochwertig gefüttert und mit Kuhhornknöpfen versehen, in den Größen von XS bis L.

Mit dieser Produktion greift sie ein zentrales Thema im Diskurs über die Rolle der Russischen Avantgarde in der Oktoberrevolution auf, das auch in 2017 sowohl im Kunstkontext als auch in der allgemeingesellschaftlichen Diskussion hochaktuell ist: das Verhältnis zwischen politischer und künstlerischer Revolution, beziehungsweise die Rolle und Relevanz von Kunst in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen.

Der russische Künstler Vladimir Tatlin (1885 – 1953) entwarf den Mantel im Unterschied zu seinen anderen konstruktivistischen Künstlerkollegen im Moskauer Institut für Künstlerische Kultur nicht als Arbeitskleidung, sondern als Alltags- und Festtagsbekleidung zugleich. Tatlin betrachtete es als programmatische Aufgabe, der Kleidung eine neue gesellschaftliche und kulturelle Funktion zuzuweisen und entwarf Typenkleidung in Serienproduktion, Vorläufer des
demokratischen Prêt-à-Porter. Das Tragen dieser Kleidung sollte in letzter Konsequenz den Träger zum »besseren« Menschen machen und auf dessen Bewusstsein zurückwirken.

Mit der Produktion der benutzbaren Kunstwerke reflektiert die Künstlerin also erneut den Begriff der »Avantgarde«, den sie beständig in ihrem Werk behandelt: Heute stellt sich in
Zeiten brisanter politischer Umwälzungen nicht weniger als vor 100 Jahren die Frage, wie sehr sich die Grenzen zwischen Kunst und Alltag aufrechterhalten lassen, und wo man sich als Künstler verortet zwischen einer idealistischen Auffassung von Kunst als bewusstseinsveränderndem Medium und ihrer Verteidigung als ästhetischen Gegenentwurf, der letztendlich auch Rückzug vom Aktuellen bedeutet.

Welchen Beitrag leistet Kunst auf ihre Art an der Gestaltung von Gesellschaft? Wenn man Kunst nicht als Produktion von Botschaften, sondern von Dingen interpretiert, kann die Kunstproduktion mit ihrer zunehmenden Tendenz zur Mimikry und Assimilation als subtile Einwirkung auf das Denken, das ästhetische Empfinden und damit mittelbar auch das politische Handeln wirksam werden. Ihre Verschmelzung mit den Alltagsdingen hat aber gleichzeitig auch ihre Vereinnahmung im Sinne einer Ökonomisierung und Profanisierung zur Folge.

Die Problematik der »Selbstaufhebung« künstlerischer Produktion im Oszillieren zwischen avantgardistischer Progression und konstituierendem Rückgriff war und ist auch jeder politischen Revolution immanent.

Neben den Mänteln zeigt Alexandra Hopf neue Fotoarbeiten und auf Leinwand aufgezogene Papierarbeiten.