KICKING CLOUDS AROUND versteht die Künstlerin Max Marion Kober als Synonym für das Kunstmachen selbst, für den dynamischen Prozess des »Herumspielens mit Farbe und Form« – ohne feste Zielsetzung. Zugleich umschreibt der Titel die absurde und vergebliche Absicht, etwas so wenig Manifestes wie Wolken willentlich zu bewegen – so wie sich das Bild selbst der Malerin im Entstehungsprozess immer wieder entzieht und ihr seine eigenen Vorgaben macht. So entstehen ihre Gemälde, oft mit Pausen, über größere Zeiträume hinweg, in denen die Künstlerin wiederholt im direkten Auftrag der Gouache auf die ungrundierte Leinwand durchscheinende Strukturen aus unteren Schichten verwertet, weiterentwickelt, umdeutet – im Rahmen dessen, was die zuvor getroffenen malerischen Entscheidungen bestimmen, bzw. die technischen Konditionen der wasserlöslichen Gouache zulassen.

Dabei scheinen sie sich nach und nach energetisch aufzuladen und es erwachsen zwischen Ungegenständlichkeit und Gegenständlichkeit changierende Bildräume. Im Vergleich zu Kobers älteren Werken, in denen architektonische Formen bereits mehr drifteten als Halt anboten, zeigen ihre jüngsten Gemälde noch abstraktere Malerei, die die Leinwände regelrecht entgrenzt und dem Auge nur noch in Andeutung hier und da eine Art materielle Verdichtung oder geometrisches Liniengerüst als Anker reicht: Die Bildträger öffnen sich zu äußeren Landschaften, die an Gemälde von William Turner erinnern, mehr aber noch zu inneren, die, losgelöst von jedem theoretischem Überbau, eine unmittelbare Resonanz auch bei einem Betrachter ohne kunsthistorisches Vorwissen erzielen.

Die Vorliebe für eine eher düstere Farbwahl resultiert aus der Faszination der Künstlerin für die Nacht und für einen traumartigen Zustand, den sie auch beim Malprozess sucht und gerade im Ausloten einer unbestimmten Tiefe als produktive »Luzidität« erlebt: Nacht und Dunkelheit bedeuten auch eine potentielle Unendlichkeit, das Empfinden von Zeitlichkeit verändert sich darin, ebenso wie sich die Dimension tatsächlicher wie gedachter Räume, in denen man die Wolken umherschubsen kann, erweitert, wenn deren Grenzen nicht mehr exakt wahrnehmbar sind.

Kobers Bilder erzeugen eine Stimmung, die in der Rezeption dem gleichen könnte, was Heinrich von Kleist 1810 bei der Betrachtung von Caspar David Friedrichs ikonischem Mönch am Meer zur Äußerung veranlasste, in seiner »Einförmigkeit und Uferlosigkeit« wirke das Gemälde, »als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären«.1

Auch wenn ein Augenzwinkern dann schwer fallen dürfte: Im Urban Slang steht die Alliteration Kicking Clouds fürs Highwerden mittels Marihuana – inwiefern sich beim Anblick eines Kunstwerks eine vergleichbare bewusstseins- oder wahrnehmungsverändernde Erfahrung einstellt und ob sie sich eher der Vernebelung oder einer Schärfung der Sinne verdankt, bleibt wohl auch im Sinne der Malerin offen.

Für ihre Ausstellung bei ZERO FOLD wird Max Marion Kober ihre Bilder in einem eigens für die Fensternische entwickelten Einbau präsentieren. In wöchentlichem Turnus wird dort eine andere Arbeit in den Vordergrund und eine Art Bühnensituation gebracht, während parallel im hinteren Teil des Raumes eine klassische Hängung stattfindet; der Displaycharakter des Projektraumes wird so nochmals gesteigert. Die fluiden Übergänge von gefestigteren Strukturen und undefinierteren, mehr angedeuteten als fassbaren Hintergründen in den Gemälden, die wirken, als befänden sie sich selbst anhaltend in einem kaum merklichen, aber konstanten Wechsel der Aggregatszustände, werden gewissermaßen analog zu ihrem immanenten Charakter in eine raumzeitlich veränderliche Situation transferiert.
1Kleist in „Berliner Abendblätter“ vom 13. Oktober 1810

Max Marion Kober, 1980 in Niedersachsen, hat an der HBK Braunschweig bei Nicola Torke sowie Walter Dahn studiert und 2009 an der Städelschule Frankfurt/M. als Meisterschülerin von Michael Krebber abgeschlossen.*

Fotografie © Tamara Lorenz