Rote Farbtropfen, die sich von ihrem Untergrund abzustoßen scheinen. Wie Fett im Wasser – ein Zustand so fragil, dass er sich gegen seine Konservierung sträuben müsste und doch ist er hier wie in einer Momentaufnahme festgehalten. Dazu milchig-rauchige Schlieren, ohne klare Grenzen, beinah materiallos. An den Rändern Farbfetzen wie überschüssige Haut. Schmutziges Braun schlägt Blasen und trifft auf schreiend grelles Grün. Oder Neonpink auf kräftiges Hellblau. An anderer Stelle sammelt sich inkarnatrote Flüssigkeit in leichten Falten und Vertiefungen zu Lachen, gerinnt und bricht auf: der Saft der Malerei.

Noemi Weber kennt Potential und Widerspenstigkeiten ihrer Malmaterialien sehr genau. Ihre neueste Werkserie, die nun erstmalig bei TYSON zu sehen ist, zeigt Farbe in mannigfaltigen, akribisch untersuchten Aggregatzuständen. Die Bildobjekte, aus mehreren Schichten aufgebaut, lassen die Werkstoffe und vor allem ihr Zusammenwirken ereignishaft in den Vordergrund treten. Das von der Künstlerin Kontrollierte und die Eigensinnigkeit der Materialien verschränken sich. So trifft das Formlose auf Geformtes, der Körper der Farbe auf den der Künstlerin.

Dabei ist nicht die Repräsentation des Körperlichen, seine Darstellung, Ziel der Arbeiten, sondern der malerische Körper selbst, die affektive Wirkung des Farbmaterials und seine taktile Oberfläche, die sich an die sinnliche Wahrnehmung, ja an den Körper der Betrachtenden richten. Und doch: Trotz ihrer energiegeladenen, herausfordernden Stofflichkeit scheinen einige Arbeiten gleichzeitig erstaunlich indirekt, beinahe irreal. So sind die stark glänzenden Werke völlig flach, fast wie versiegelt. Bei manchen erweist sich die äußerste Schicht bei genauem Hinschauen gar als Plastikfolie. Das Spiel der Farbsubstanzen, das so unmittelbar anmutet, weicht seltsam ungreifbar in einen eigentümlichen Bildraum zurück.

Die fremdartige Körperlichkeit von Webers Arbeiten entwickelt sich aus ihrem spezifischen Verhältnis von Bild und Grund heraus. So werden Farbe und Träger hier nicht als getrennte Entitäten verstanden, sondern formen und bedingen sich gegenseitig. Ein Ansatz, der sich durch das bisherige Schaffen der Künstlerin zieht und immer wieder mit neuen Versuchsanordnungen erforscht wird. Konstanten sind neben extrem reichen, leuchtenden Farben Trägermaterialien, die von der klassischen Leinwand auf Keilrahmen abweichen und eine Affinität zu einfachen Baumarktstoffen erkennen lassen: Malerplane, Luftpolsterfolie, Holzpaletten oder Bauzäune finden Eingang in die Bildobjekte. Für ihre neuesten Arbeiten verwendet die Künstlerin Armierungsgewebe aus Plastik. Nur an diesem hält sich die Farbe fest, fast scheint sie autonom. Mit den formlosen Fetzen an den Bildrändern trägt sie sich dann ganz allein, ist sich selbst Untergrund.

Bei all der Lust am Material, an der physischen Beschaffenheit der Werkstoffe und ihrem Austausch, nähren Webers Arbeiten doch immer auch die Hoffnung auf Bildhaftigkeit. So entsteht durch die Farbschichten hindurch eine unbekannte Bildtiefe, eine ganze Welt hinter der Oberfläche, die den Körper der Betrachtenden, aber auch ihre Imagination aktiviert –
Magic Bodies.

Ramona Heinlein