MARCEL WALLDORF – MORALVERKEHR
verlängert bis 15.08.
26.6.2020 – 26.7.2020

marcel-walldorf.com

Der junge Frankfurter Künstler zeigt zehn neue Skulpturen und Malereien, die auf die zunehmenden moralischen Herausforderungen der Kunstwelt reagieren.

„Ich ertappe mich oft selbst beim sprechen mit gespaltener Zunge. MORALVERKEHR stellt vor allem auch meine Zerrissenheit aus, zwischen Aufbe- gehren und Gefallen wollen, der Balance zwischen Anpassung und eigener Freiheit.“

In den letzten Jahren wird unsere Welt gefühlt immer politischer. Einer voranschreitenden Auseinandersetzung um Themen wie #metoo oder Black Lives Matter stehen Extremismus und globaler Rechtsruck gegenüber. Die Kunstwelt versucht seit Jahren ihren Blick dafür zu schärfen und die Diskussion ist hoffentlich endlich da angekommen, wo sie stattfinden muss: bei ihr selbst. Dies hat viele erfrischende Effekte. So lässt sich beispielsweise beobachten, wie Leitungsteams von Museen und Biennalen neue Moralvorstellungen entwickeln, wenn sie sich auf neue Diversität in den Strukturen einlassen. Dabei treten mitunter auch fragliche Nebenerscheinungen auf, z.B. wenn künstlerischen Arbeiten diese Vorstellungen von Sitte und Moral 1:1 übergestülpt werden.

Im Zentrum von Marcel Walldorfs Ausstellung steht genau dieses Spannungsverhältnis. Wo wird Selbstbeherrschung von Grenzüberschreitung abgelöst und wo darf sie das überhaupt wollen? MORALVERKEHR beschreibt den Konflikt alles richtig zu machen aber dabei niemandem zu nahe treten zu wollen vs. seinen Bedürfnissen im Leben / in der Kunst freien Lauf zu lassen. In der Fachwelt spricht man von Ambiguitätstoleranz, der Fähigkeit, kulturelle Widersprüche wahrzunehmen und auszuhalten. Die Arbeiten, die aus dieser Frage entstanden sind, entfalten ihr leichtfüßiges Spiel mit den Unsicherheiten eines Weißen, männlichen Künstlers und dem wachsenden Bedürfnis, moralisch zu ordnen, wer überhaupt zu welchen Themen wie sprechen kann. Marcel Walldorf schafft es diese Verschärfung gesellschaftlicher Widersprüche, in der die einen immer gröber und brutaler werden, die anderen immer sensibler und gereizter, ironisch und charmant zu hinterfragen ohne sich selbst aus der Verantwortung und Diskussion zu ziehen.
„Ich ertappe mich oft selbst beim sprechen mit gespaltener Zunge”, sagt der 36-Jährige Walldorf. “Meine neue Ausstellung stellt vor allem auch meine Zerrissenheit aus, zwischen Aufbegehren und Gefallen wollen, der Balance zwischen Anpassung und eigener Freiheit.
Eine Skulptur mit dem Titel St. BERNETTO zeigt zum Beispiel den ‘besten Freund des Menschen’ gefangen in einer lasierten Porzellan-Replika seinerselbst. Nur an einigen Stellen ist zu erkennen, dass es sich darunter um ein „echtes“ Lebewesen handelt. Mit dieser zwiespältigen Ästhetik beschäftige ich mich ausgiebig.“
Marcel Walldorf hat an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main und der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert. Durch seine Skulpturen und Aktionen machte er sich bereits in der Vergangenheit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zuletzt wurde sein Beitrag zur diesjährigen Bingen Skulpturen-Triennale medial besprochen.
2020 ist er Stipendiat der Stiftung Kunstfonds.