In ihrer Ausstellung „Other Thoughts“ verwebt Ruth Weigand verschiedene Stränge ihrer künstlerischen Arbeit miteinander, die Plastiken und Wandarbeiten aus Gips und Keramik sowie Fotografie und Zeichnung umfasst. Ihrer experimentellen Arbeitsweise eigen ist das Prinzip der Transformation, das ihr bei der künstlerischen Erforschung von räumlichen Dimensionen, Zeitlichkeit und Materialität als Erkenntnisinstrument dient. Impulsgebend in ihrer Arbeit ist die Überzeugung, dass erst die gebrochene, nicht lineare Wahrnehmung das Verständnis der Welt, in der wir uns bewegen, herstellt, vervollständigt und so bereichert.

Ruth Weigand stellt in 2021 verwirklichte Plastiken aus Keramik ins Zentrum der Ausstellung. Aus jeweils 6,40 m langen, ungeteilten Strängen Mangantons geformt, bildet sie grafisch angelegte, in den Raum greifende Strukturen, die ihre eigene Beweglichkeit erkunden. Sich selbst umschlingend, ihr eigenes Gewicht haltend, loten sie die Möglichkeiten und Grenzen der Formgebung aus. Ruth Weigand versteht die Plastiken als ausgewählte Einzelaufnahmen eines unendlichen Bewegungsablaufs. Der technisch wie physisch aufwändige Herstellungsprozess, den es benötigt, um aus dem schweren, dichten Ton offene, leicht wirkende Formen zu bauen, verlangt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Material. Diese Arbeitsweise ist eine Form der Aneignung und zugleich eine Reaktion auf die belastende Unsicherheit der Corona-Zeit, der Ruth Weigand gegen innere wie äußere Widerstände bewusst mit Produktivität begegnet. Dass die Plastiken zugleich leicht und schwer, flexibel und starr erscheinen, macht ihren besonderen Reiz aus.

Das Prinzip der Transformation, das Ruth Weigands Arbeiten miteinander verbindet, findet sich ebenso in den korallenartig gebildeten Plastiken aus Gips. Mit dem Körper in den Schnee eingebrachte Hohlräume werden in einem Gießprozess ausgeformt. Der scheinbar leere Raum wird somit in festes Material verwandelt. Im Ergebnis werden sowohl die Spur des Körpers als auch die den Zwischenraum umgebenden und definierenden Strukturen sichtbar gemacht. Die Wechselwirkung des Gipses mit dem Schnee bildet sich in der Oberfläche der Plastiken ab. Die Wahl eines Ausgangsmaterials, das einer stetigen witterungsbedingten Wandlung unterworfenen ist, reflektiert Aspekte von Zeit und Vergänglichkeit.

In einem zeitlich stark begrenzten Abformprozess entstehen Reliefs aus Gips, die Ruth Weigands Beschäftigung mit der Idee des Fragmentarischen, des archäologischen und geologischen Fundstücks transportieren. Sie verleiht den Oberflächen der Reliefs eine zum Teil eine textile Qualität; ihre Formensprache ist an das Ornament angelehnt. Je nach Lichtsituation verändert sich die die Komposition, so dass die Formen flacher und weicher, plastischer und kontrastreicher wirkt.

Großformatige Drucke auf Stoff zeigen fotografierte und stark vergrößerte Bruchstücke eingefärbter Gipsplatten, die mittels Fotomontage neu zusammengesetzt wurden. Die einzelnen Elemente wiederholen sich und wachsen über das Format hinaus. Die Erscheinungsform des Ausgangsmaterials Gips wird um die stoffliche Textur erweitert und in seiner Räumlichkeit verändert.