Die kleinen Szenerien auf den Gemälden von Pauł Sochacki sind so beiläufig wie pointiert auf die rohe Leinwand gesetzt. Der Farbauftrag ist transparent lasierend, manchmal deckend und Krakeluren bildend – so wie die Sicherheit des Betrachters Risse erfährt, auch wenn er schon meint, direkt auf den Grund des Dargestellten zu blicken. Die Titel begleiten nur aufs Glatteis, sie erweisen sich als unzuverlässige Lotsen. Sochacki bedient sich der Doppelbödigkeit und Vielschichtigkeit von Sprache, die hier als Instrument der Entschlüsselung schnell an ihre Grenzen stößt. Das Gesehene beschreiben zu wollen, endet oft in einer Kapitulation, die aber etwas Befreiendes hat. Seine Bilder sind lapidar, fast lakonisch, absurd, prosaisch und fantasievoll zugleich – und erfrischend frei von künstlerischem Pathos: Satire und Karikatur sind bei aller Herbheit und Derbheit in ein harmloses, beinahe kindliches Gewand gehüllt, wahren Eleganz, Lieblichkeit und eine poetische Melancholie. Die Beiläufigkeit auf den ersten Blick entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ungeheure Präzision, nichts ist bei Sochacki dem Zufall überlassen, sämtliche gestalterischen Entscheidungen sind äußerst präzise Setzungen.

Der kleine Hund, der aus seiner Quarantäne sehnsüchtig einen Knochen anschmachtet, der außerhalb des Fensters ohne Boden (»Okno bez dna«) – ja, wo denn eigentlich genau – liegt? schwebt? und der auch nur eine Projektion sein könnte, wie das ganze Bild, ist nicht allein mit seiner Irritation: Die PHYSIK DER METAPHYSIK, die Sochacki uns hier illustriert, gehorcht eben nicht positivistischen Lehrsätzen. In augenzwinkernder Infragestellung aller unumstößlichen Gesetzmäßigkeiten und Erklärungsmodelle wird die Eindeutigkeit der Verbindungen zwischen Gegenstand und Begriff, zwischen Symbol und Bedeutung, Erscheinung und Sinn aufgehoben. Der Schwindel, auf so schmalem Grad der Erkenntnis zu wandern, bereitet allerdings ein höchst angenehmes Unbehagen.

Warum macht das so einen Spaß? Weil es parabelhaft ist, ohne zu belehren, weil es Witz hat, ohne platt zu sein, weil es radikal ernst und subversiv ist, ohne didaktischen oder missionarischen Impetus, weil es anarchisch ist, ohne destruktiv zu sein. Der Humor in den Werken von Sochacki ist entlarvend, aber zutiefst humanistisch und überbrückt Gräben statt sie zu vertiefen. Er entspringt einer großen intellektuellen Freiheit, die auch dem Betrachter zugesprochen wird – dem im wahrsten Sinn des Wortes oder eben der reinsten PHYSIK DER METAPHYSIK sehr viel offener Bildraum bleibt. Sochackis Sicht auf die sozialen Bedingungen, in denen wir leben, lässt subjektive Perspektiven gelten, geprägt von den unterschiedlichen, nationalen wie individuellen, kulturellen Codes und Traumata.

Auch seine subtile Spiegelung des Kunstbetrieb, der ökonomischen Bedingtheiten der Kunstproduktion, bzw. von deren ambivalenter Rolle in demokratischen Gesellschaften, offenbart sich gerade in der Vermeidung des Expliziten und unterm Tarnmäntelchen der Affirmation: Die Instrumentalisierung von Kunst in ihrem Vertrieb als einer Ware, die sich vermeintlich der banalen Gesetze des Kapitals entzieht und ihren Mehrwert vorgeblich von ökomischen Kontexten abkoppelt, aber in Wahrheit tatsächlich zu großen Teilen gerade mittels sozialer Ausschlusskriterien und Abgrenzung erzeugt, wird aufgegriffen und gleichzeitig unterlaufen. So auch im Projekt »Arts of the Working Class«, einer gemeinsam mit Maria Ines Plaza Lazo und Alina Kolar publizierten Straßenzeitung, deren Erlös direkt an die Distributeure auf der Straße zurückfließt oder der »AWC's Merchandise Collection« recycelter getragener Kleidungsstücke, handbedruckt mit hintergründigen politischen Slogans, wo sonst die Herstellerlogos prangen. Bei einer von Sochacki inszenierten Performance erscheint ein Schauspieler als Obdachloser (und mittelbar in der Rolle des Künstlers selbst) auf einer Galerieeröffnung und konfrontiert die Anwesenden durch sein Erscheinungsbild und Verhalten mit einer Störung der unausgesprochenen Regeln des »Settings«. Das Vernissage-Publikum verhandelt unwissentlich als Teil der Inszenierung den kollektiven Prozess der Distinktion mit. In allen Medien von Pauł Sochacki begegnet im Subtext die klügste Verknüpfung von Kunst und Politik, bzw. Analyse ihres Verhältnisses.

Pauł Sochacki (geb. 1983 in Krakau), hat an der HBK Hamburg und der Universität der Künste in Zürich studiert. Der Künstler arbeitet in Berlin, lebt in Ustrzyki Dolne und wird von der Galerie EXILE in Wien vertreten.

Fotografie © Pauł Sochacki