StrzeleckiBooks zu Gast bei ZERO FOLD

Künstlerbuch und Edition in Kooperation mit dem Kunsthaus KAT18

Mit Unterstützung von
Stiftung Kunstfonds, Bonn
Harald und Hilde Neven DuMont Stiftung

Das Zeichenbuch von Andreas Maus umfasst gegenständliche und abstrakte Zeichnungen zu Geschichte, Krieg und Sport: Neben vielfach medialisierte Ereignisse – NS-Gräueltaten, Pegida-Demonstrationen und Olympische Spiele – treten Bilder, die Maus’ Verortung in Köln spüren lassen: Im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kirchen, lokale Sportereignisse. Aus den zueinander bezugnehmenden oder kontrastiert aufeinanderprallenden Darstellungen ergeben
sich so angedeutete Narrative, die dem Buch eine welterschaffende Kraft geben – eine dystopische, teilweise freundliche, teilweise kaum aushaltbar brutale Bildwelt entfaltet sich beim Blättern, schreitet filmisch fort und entwickelt einen eigentümlichen Sog.

Überschriften lassen die Zeichnungen zuweilen in ihrer Emblematik wie Briefmarken erscheinen, die Themenkreise oder Ereignisse verallgemeinernd darstellen, andere wie
Kapitel-Deckblätter zu einem Roman, dessen Inhalt nur erahnbar bleibt. Andreas Maus hat das Buch zwischen 2013 und 2018 gezeichnet, mit Kugelschreibern und Finelinern. Flächen werden mit Kreisen, feinen Linien oder Vierecken mosaikähnlich ausgefüllt, zu Schwarz und Blau kommt zunehmend auch Rot hinzu, am Ende Grün – eine langwierige Zeichentechnik. Maus: “(...) und da frage ich mich, wer so einen großen Welzer mit seinen Kugelschreiberzeichnungen und seiner eigenen Handschrift komplett bis zu letzten Ecke
ausfüllt, ganz schön verrückt, aber voll gut.”

Andreas Maus (1964 in Köln) hatte u.a. Ausstellungen in der Galerie Rob Tufnell und im Kolumba Kunstmuseum in Köln, in der Bundeskunsthalle Bonn und im Museum Kampa, Prag. Seit 2007 arbeitet er im Kunsthaus KAT 18.
Andreas Maus ist Preisträger des euward 8. 2021 wird das Künstlerbuch neben anderen
Werken im Haus der Kunst in München in der euward- Ausstellung präsentiert*.

Ergänzend zum Buch erscheint eine Edition von drei Motiven, Offsetdruck auf Papier.

Über Andreas Maus:

Andreas Maus widmet sich dem Trauma, ebenfalls gehen hier gesellschaftliches und
persönliches Trauma eine Symbiose ein. Andreas Maus, am 9. März 1964 in Köln geboren,
gehört einer Generation an, welche die NS-Zeit nicht selbst erlebt hat, aber immer noch geprägt ist von der Geschichte der NS-Diktatur, den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges und der Schuld des Holocaust. Einer Generation, die sich bis heute an der Elterngeneration der Täter und Kriegskinder abarbeitet.

Andreas Maus klagt an. Er sucht in seinen Darstellungen das Unfassbare, das Unvorstellbare sichtbar zu machen. Immer wieder zeichnet er furchtbare Gewaltszenen und nutzt dabei eine vereinfachte, schematisierte Zeichenweise, welche die Opfer entindividualisiert und die Taten anonymisiert. Ein einzelnes reales Ereignis einer bestimmten Person soll – abgesehen von wenigen Verweisen, beispielsweise auf Anne Frank – hier auch nicht erzählt werden, vielmehr sucht Andreas Maus das gewaltbereite, menschenverachtende System einer Gesellschaft zu erfassen und zu begreifen. Das Bild wird hier zum Abbild, ja zum Beleg des Geschehens. (…) Andreas Maus ist immer auf der Seite der Opfer, die geschändet werden.

Gesellschaftliche Ausgrenzung, Verleugnung und Verachtung, psychische und physische Gewalt, gar Vernichtung des „Anderen“ – die Grenzen sind fließend. Andreas Maus kennt sie, er hat sie selbst erfahren. Seine Geburt verlief mit Komplikationen und hinterließ in Folge eine geistige Beeinträchtigung. Er wurde zum Außenseiter, aggressiv auflehnend und in verschiedenen Institutionen untergebracht. Fürsorge hat er dort nicht erfahren,
stattdessen Übergriffe und Gewalttätigkeiten sowie die Erkenntnis, wie schnell Menschen, die anders sind als andere, zum „Anderen“ bestimmt, gedemütigt und bekämpft werden. Wenn Andreas Maus uns sein Bilderbuch der Gewalt vorführt, formuliert er nicht nur eine Anklage, sondern immer auch Ohnmacht und Angst. Dabei bedient er sich unleugbarer historischer Geschehen, die nicht angezweifelt werden können und an Schrecken übertreffen, was er selbst erlebt hat, doch ihm mit Furcht allgegenwärtig sind.

Die systematische, ins Detail ausgearbeitete Vernichtung der Juden durch die Nazis kann als ein übergeordnetes System der Gewalt verstanden werden, in dem jede Form von (organisierter) Gewalt einer Gruppe gegen eine andere aufgeht. Die NS-Diktatur wird damit zum Inbegriff jeder gewaltbereiten Machtstruktur und die Juden zum Synonym des Leidens und des Opfers. Nicht hinterfragt wird von Andreas Maus die Problematik der Opferidentität und einer menschlichen Reduktion auf die jüdische Opferrolle. In der
Aufarbeitung des Holocaust findet er einen Weg, sich auf einer Metaebene mit seinen persönlichen Erlebnissen auseinanderzusetzen, sie einem System unterzuordnen, das auch die eigene Verletzung entindividualisiert und im anonymisierten Opfer aufgehen lässt.

Dr. Monika Jagfeld, Museum schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St. Gallen, CH