ZERO FOLD beteiligt sich zum wiederholten Male an der Internationalen Photoszene Köln, dieses Jahr betitelt: Photoszene United.
In 2021 lädt der Projektraum anlässlich der Veranstaltung zwei Künstler*innen iranischer Herkunft ein:

Reza Nadji, 1978 in Teheran, studierte Fotografie in Dortmund und New York und ist als freier Fotograf und Fotokünstler in Berlin und Los Angeles tätig.
Linda Nadji, 1972 in Teheran, lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Köln. Sie studierte Objektdesign in Aachen und freie Kunst an der Akademie Düsseldorf bei Helmut Federle, Rita McBride und Hubert Kiecol, als dessen Meisterschülerin sie in 2011 abschloss.

Die gemeinsame Fotoinstallation MEMORY.II der Künstlergeschwister integriert Fotomaterial aus dem Archiv des Fotostudios ihres Vaters und dessen Brüdern in Teheran, das in den 50erJahren gegründet wurde. Bei der Auflösung des Betriebs in 2015 wurden annähernd 20.000 Negative von Reza Nadji entdeckt, gesichtet und digitalisiert.

Eine Auswahl dieser Aufnahmen, für die Installation aufgedruckt auf Kissenhüllen und präsentiert in Tortenschachteln, dokumentiert Hochzeitsfeste der Teheraner Mittelschicht vor der Revolution im Iran 1979. Auch wenn ein »Erinnerungsoptimismus« in Bezug auf das vorangehende Regime von Schah Mohammad Reza Pahlavi kritisch zu hinterfragen ist, ohne dem Charme der Nostalgie unreflektiert zu erliegen, bezeugen die Fotografien eine gesellschaftliche Realität, die in der Außenwahrnehmung des Landes zurückgedrängt worden ist. Während der Iran in den westlichen Medien überwiegend im Kontext der Berichterstattung über islamistische Aktivitäten, politischer Repressalien und des atomaren Aufrüstungskonfliktes in Erscheinung tritt, repräsentieren diese Fotos eine selbstbewusste und selbstbestimmte Kultur der Ungezwungenheit, Sinnlichkeit und Innigkeit, einer weltoffenen, am Westen orientierten Geisteshaltung, die seit der Revolution in Vergessenheit geraten ist. Die Rückschau und Innensicht auf die Zeit vor der Machtübernahme Khomeinis wird in diesen Dokumenten wachgerufen und den jetzt dominierenden Bildern und Vorstellungen vom Iran entgegengehalten.

Auch die jüngsten Schlagzeilen aus dem Iran zu steigenden Todeszahlen im Zusammenhang mit Corona zeichnen ein düsteres Bild. Die aktuelle Situation der weltweiten Pandemie, die eine soziale Distanzierung und den Rückzug ins Private – in Umkehrung gewohnter Verhaltensnormen – als Akt der Solidarität und Fürsorge erfordert, hat uns aber auch hier die zuvor selbstverständliche Nähe und Geselligkeit im privaten wie im öffentlichen Kontext genommen. Angesichts dieser festlichen, unbeschwerten Zeugnisse aus den 70erJahren wird offensichtlich, wie stark die jeweiligen historischen und politischen Rahmenbedingungen eine Gesellschaft prägen. Die Fotos, auf denen Menschen ein traditionelles Bündnis miteinander feiern, trösten und ermutigen einerseits, gerade angesichts der derzeitigen Sehnsucht nach der sogenannten »Normalität«, bringen aber auch ins Bewusstsein, wie fragil selbst vermeintlich stabile Systeme sind.

Fotografie © Tamara Lorenz