Das aktuelle Kunstsäulenmotiv stammt von der Künstlerin Viola Yeşiltaç. Zu sehen ist das Bild einer raumgreifenden Wendeltreppe, die skulptural anmutet und dennoch die praktische Verbindung zweier Etagen bildet. Die schwarz-weiß gehaltene Fotografie wirkt wie eine optische Täuschung, bei dem sich die die Säule in ein völlig anderes dreidimensionales Objekt "verwandelt", eine Treppe. Oder aber, so intendiert es die Künstlerin, es wird das Innenleben der Litfaßsäule gezeigt. "Schau’s dir an! Kendin görmen lazım! See it for yourself!" so der Titel des Motivs, das zu einem gedanklichen Ortswechsel einlädt.

Ganz konkret führt uns die Künstlerin nach Istanbul in das Archäologische Museum, in die zweite Etage mit Artefakten aus Zypern, Syrien und Palästina. Die abgebildete Wendeltreppe gilt in kulturellen Kreisen Istanbuls als Referenz und Erinnerung an die freischwebende Wendeltreppe im Eingangsbereich des ehemaligen im Stadtteil Taksim gelegenen Atatürk-Kulturzentrums (AKM). "Das AKM war ein Symbol für die Modernisierungsversuche der Türkei, die auf politischer und kultureller Ebene einer Verwestlichung gleichkamen. Im Jahr 2018 wurde das Atatürk- Kulturzentrum von der noch heute an der Macht befindlichen Regierung abgerissen. Ein wichtiger Ort für die Istanbuler und die kulturelle Szene, der nun nicht mehr existiert", erläutert Viola Yeşiltaç. Die zugrundeliegende Inspiration für ihr Werk stammt aus der Kindheit der Künstlerin – aus dem Kinderfilm "Moritz in der Litfaßsäule".

"Die Litfaßsäule ist eine architektonische Form, welche mich seit meiner Kindheit fasziniert. Sie erinnert mich an die Geschichte des kleinen Jungen, der fortläuft und sich in einer Litfaßsäule versteckt, mitten auf dem Marktplatz. Diese Kapsel, der enge, begrenzte Raum, wird ihm zum weiten, grenzenlosen Land der Phantasie. Die Litfaßsäule wurde ein Projektionsraum für mich und jedes Mal, wenn ich eine Litfaßsäule sah, suchte ich nach einer Tür oder klopfte die Säule ab, um zu horchen, ob sie tatsächlich hohl war, ob es eine Möglichkeit gab, in den Raum einzutreten." Damals war die Litfaßsäule für die Künstlerin eine Tür, die Zugang zu Geschichten und Imaginationen ermöglichte. Später wurden dies die Galerien und Museen der Welt. Sie klopfte an und durfte eintreten, neue Geschichten erkunden und andere Welten erleben. Ihr Appell lautet: "Wir brauchen Räume, die uns einen Zugang zu anderen Kulturen ermöglichen!"

Viola Yeşiltaç, geboren 1975 in Hannover, lebt und arbeitet in Köln. Ihre Ausbildung führte sie von der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig über die Kunstakademie in Düsseldorf bis zum Royal College of Art in London. Unterschiedliche Stipendien wie zum Beispiel in China, der Türkei und New York sowie zahlreiche Ausstellungen und Preise zeigen und würdigen ihr künstlerisches Werk. Viola Yeşiltaç war von April bis Juni 2018 Atelier-Galata-Stipendiatin der Stadt Köln und hat in Istanbul gelebt und gearbeitet. Ihr Kunstsäulen-Motiv ist noch bis Mitte Juni 2022 an 25 Orten in der Stadt zu sehen.

Quelle: Website der Stadt Köln, https://www.stadt-koeln.de/artikel/68104/index.html (zuletzt abgerufen am 16.05.2022)

Foto: © Stadt Köln