In Mikro Silence erschafft Nschotschi Haslinger eine installative Verbindung zwischen Bildhauerei und Zeichnung – Vermittler ist eine auditive Intervention. In ihren Bildwelten finden sich urige, träumerisch-verwurzelte Lebewesen, die eine zauberhafte Präsenz von Geschichte besitzen. Verwunschene Gestalten, Tiere oder Körperteile wie Frösche, Ouroboroi oder Füße, aus denen noch die Knochen des Beines ragen. Puppen wie kleine Lebewesen finden zerbrechlich in ihren Betten Schutz. Es ist eine Welt, in der Autoscooter warmes, lebendiges Fell besitzen. Auch wenn uns diese Umwelt im ersten Moment fremd vorkommt, scheint sie unsere Gegenwart zu kennen und uns zu einer Expedition einzuladen. Alles scheint in Bewegung und in Interaktion zu sein. Die Figuren, die in einer Reise oder in Trance versunken sind, verführen uns. Körperliche Spannungen sind sichtbar. Weibliche Erscheinungen sind um die Verbreitung ihrer matriarchalen Weisheit bemüht. Es wuselt und flackert. Die Bereitschaft zur Verwandlung, zur Veränderung – der Metamorphose – formiert sich spürbar. Die üppig-vegetativen Landschaften sind lebendig und eingenommen von jenen Lebewesen, die diese Wälder und Höhlen, die Orte romantischer Sehnsucht, konterkarieren. Gleichzeitig halten sie den Fluss lebendig, der diese Vorstellung von Natur bedingt.
Nschotschi Haslinger schichtet verschiedene Aspekte von Mythologie und Eskapismus zu einer neuen Welt: Phantastische Elemente in Form von agierenden Tieren oder Gegenständen, Zaubereien sowie sexueller Versuchung. Märchen wohnen ihrem Wesen nach ein Moment Utopie inne, oftmals in sozialrealistischer oder sozialutopischer Form und bringen damit gesellschaftliche Bedingungen ans Licht. Dazu gehört das Reflektieren über Herrschaft und Machtstrukturen, über Geschlechterrollen, Sexualität und Familienstrukturen. Die Künstlerin nutzt diese tradiert-moralische Struktur, um ihrerseits eine aufgeladene Stimmung zu generieren, in der Märchen auch für Erwachsene sinnvoll erscheinen und umfängliche Ursprungsphantasien ausgelebt werden. Dabei fungieren ihre verführerischen Geschöpfe, als Initial, als ritueller Übergang – gleichsam einer Votivgabe. Die Besucher:innen können selber Teil der Reise werden und sich betten, audiovisuell mit dem Anderen verbinden. Das Betten, sich schutzlos zeigen und dem Gesang lauschen, mit dem schüchtern Gesicht, bedeutet die innere Reise hin zu Behütetheit und Sicherheit.
Es ist ein eigener Kosmos, ein eigenes Universum, eine eigene komplexe Lebenswelt – mit Konturen, die eine gewisse Härte ausstrahlen – Berührungen, Blicke und Handlungen, die etwas Dunkles und Geheimnisvolles umgeben. Zwischen Nähe und Distanz, Geborgenheit und Ausgeliefertsein oszillieren die Protagonist:innen. Die Szenen fungieren als Geschichten ohne feste Chronologie, die mehr als Zwischenraum definiert werden können. Dieser vermag es, Teil eines ortlosen Traums zu sein, als Teil unserer Phantasien. Wir dürfen auch in der Dunkelheit wachsen, in den angenehmen Gefilden der Utopien.

Design: Studio Julia Woll