Zarte Wandbehänge und metamorphische Skulpturen, die zunächst an antiquierte Brieföffner und eine hölzerne Zeitungsablage erinnern mögen, lassen den Ausstellungsraum zum narrativen Rahmen der Objekte werden, unserer Zeit seltsam entrückt. In der Doppeldeutigkeit ihrer Erscheinung versiegt der spontane Impuls des Betrachters, die Exponate womöglich kulturgeschichtlich einzuordnen. Vielmehr verführt Lünemann in „french kissing lampreys“ zu sinnlicher Vorstellung und fiktionaler Projektion.

Gedrechselte Edelhölzer, galvanisierte Bronze, leichte Stoffe und Posamente – in seinen Assoziationsketten steht das virtuose Handwerk, feierlich und erhaben, der offenen Formgebung und Motivik hier anachronistisch gegenüber. Was zunächst als Verherrlichung oder gar als Seitenhieb auf einen unzeitgemäßen Wertekanon erscheinen könnte, ist vielmehr eine symbiotische Koexistenz verschiedener Paradigmen.

So verschmelzen hier Strenge und Stolz eines großbürgerlichen Duktus mit der lockeren Geste provisorischer Leichtigkeit und erotischer Fantasien; Der feudale Glanz großer Geschichten blitzt auf zwischen der Unmittelbarkeit menschlichen Ausdrucks; Dieser – mal unbeholfen mal ungezügelt ... – etwa dann, wenn sich die elegant geschwungene Klinge des Brieföffners in einen amorphen, wulstförmigen Griff befreit oder sich der gedrehte Holzstab des „Zeitungsständers“ mit seiner Riffelstruktur anzüglich in einem Loch in der Wand versenkt.

Vermeintlich ins Tuch gestickte Worte und skizzenhafte Symboliken verbinden sich still als Siebdruck auf leichtem Faltenwurf. Die zeichnerischen und handschriftlichen Spuren erweitern sich gegenseitig zum offenen Emblem zärtlicher Begegnung, um gleich darauf aus einem allzu romantischen Kanon in semantische Weite zu fließen, sich in verspielter Ironie burlesquer Troddeln an den Stoffzipfeln zu erleichtern.

Tammo Lünemann (*1988 in Leer, lebt in Köln) ist Bildender Künstler und Autor. Sein Studium hat er als Meisterschüler von Prof. Georg Herold 2015 an der Kunstakademie Düsseldorf abgeschlossen. Im gleichen Jahr erschien seine erste Novelle „es schickt sich“ im Verlagshaus Kleinheinrich, Münster. Seit August 2017 kuratiert er in der Alten Lindgens Fabrik in Köln-Mühlheim das Schaufensterprojekt „Pfirsich“. „french kissing lampreys“ im Jagla Ausstellungsraum, Köln ist Tammo Lünemanns erste Einzelausstellung, eingeladen von der Kuratorin Jari Ortwig.