In der Ausstellung 'Rescue! (If you can)', zeigt Claudia Reinhardt-Teljer eine neue Serie von klein- und mittelformatigen Malereien, entlehnt aus Pressefotografien jüngster Zeit. In früheren Arbeiten hat CRT selbst fotografiert. Die so entstandenen fotografischen Serien, bestechen zumeist durch ihre detailkonzentrierte Darstellung. Im Herstellungsprozess dieser Arbeiten, musste CRT raus aus dem Atelier, hin zu den Shooting-Orten, diese mit Interieur und Akteuren ausstatten und mit der Kamera zum Leben erwecken. In 'Tomb of Love - Grabkammer der Liebe' (Verbrecher Verlag, März 2016), portraitiert CRT, Szenen von bekannten Paaren - wie z.B. Stefan und Lotte Zweig oder Arthur Koestler und seine Frau Cynthia Jefferies - die durch ihren gemeinsamen Suizid ihr tragisches Ende fanden. Eine frühere Serie, 'Killing Me Softly - Todesarten' (Aviva Verlag/Berlin und Bergen National Acadamy of the Arts, 2004), widmet sich dem Freitod von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen, wie Unica Zürn und Ingeborg Bachmann. CRT's Feingefühl fürs Detail, verleiht diesen privaten Handlungen eine Greifbarkeit und respektvolle Nähe, welche stets die Würde der Portraitierten bewahrt.
Während diesen Arbeiten stets eine lange Recherche vorausgeht und außerhalb des Ateliers geschaffen werden, hat die Künstlerin für ihre neueste Arbeit die Schaffensmetho-de vollständig umgekehrt. In 2016 begann CRT eine breit gefächerte Sammlung von Presse Fotografien in Aquarellzeichnungen zu übersetzen. In diesen Collagen dringen die Bilder von draußen aus der Welt, nach drinnen ins Atelier.
Der Prozess des Zeichnens, innerhalb des Ateliers, hat auch den Schaffenszeitpunkt verlagert und gedehnt. Vom kurzzeitigen Kamera-Klick, hin zu einer Auseinandersetzung mit der Außenwelt, die durch den akribischen Transfer der Bilder stattfindet. Über die Zeichnungen begann Reinhardt-Teljer, die Flut der Pressebilder von meist anonymen, geflüchteten Menschen, auch malerisch zu erforschen. Während ihre fotografischen Arbeiten das bedeutende Detail im Fokus haben, finden sich in ihrer Malerei Details, die sich der genauen Definition entziehen.
Entschleunigung des Schaffens führt zu längerer Betrachtung des Motives. Es scheint, als verlöre ein Motiv mehr und mehr an Detailschärfe, je länger man es betrachtet. Als entzöge es dem Betrachter die Neben-Information, eine Qualität, die von den pastösen Pinselstrichen der Künstlerin betont wird. Auf diese Weise gibt Reinhardt-Teljers Verwendung der Pressefotos, den unbekannten Porträtierten ihre Anonymität zurück. Je näher der Blick auf das Motiv gerichtet ist, desto mehr verschwimmt das Bild und verweigert näheres intimes Wissen; allgegenwärtige Bilder von Tod und Zerstörung entziehen sich so geschickt der Neugierde des Betrachters. Das bedeutet aber nicht, dass die Bilder dadurch zwangsläufig verfremdet werden. Im Gegenteil. CRT's üppige Farben und Gesten, vermitteln stets ein Gefühl von Vertrautheit mit ihren Motiven. Als Gruppe betrachtet wird sichtbar, dass die vermeintliche Vertrautheit der Bilder, darin liegt, dass sie heute allgegenwärtig sind: durch Massenverbreitung von globalen Motiven gewaltiger Versetzung und Desorientierung. Es stellt sich die Frage, wo die Schwelle liegt, von sicherer visueller Erkennbarkeit, hin zu freier Interpretation über das Gesehene.

Claudia Reinhardt-Teljer (geboren 1964 in Viernheim, Südhessen) lebt in Berlin und Oslo. Sie studierte an der Kunstakademie Hamburg, bei Professor B. J. Blume. Von 2000 bis 2012 lehrte sie als Associate Professor an der National Academy of the Arts in Bergen, Norwegen. Ihre Arbeiten wurden u.a. ausgestellt in der Galerie Malopolski Ogród Sztuki, Krakow, Polen (2016); Fotogalleriet Format, Malmö, Schweden (2015); Korean Art Mu-seum, Seoul, Südkorea (2015); Galerie im Körnerpark, Berlin, - als ausstellende Künstlerin und Kuratorin (2015); Museum for Contemporary Art, Roskilde, Dänemark (2015); Kunstverein Rauland, Norwegen (2011); Galerie M29 Richter Brückner, Köln, (2011/2005), Micro Museum, Zürich, Schweiz (2009); Skåne Kunstförening, Malmö, Schweden (2008); Kunsthaus Hamburg (2007) und Brooklyn Museum, New York (2007). CRT ist auch als Kuratorin tätig und organisierte die Ausstellung EXITUS - Tod, Trauer und Melancholie (2015 in Berlin gezeigt), im April/Mai 2017 in der Galerie F 15, Moss/ Norwegen.

Text: Jan Dietrich/Sascha Rossmann